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Alexandra

Der Bücherwahnsinn

Hier findet ihr nur meine Rezensionen, wer mehr von mir lesen möchte sollte sich mein Literaturblog Der Bücherwahnsinn anschauen. Würde mich freuen! Ansonsten, hier weiterhin viel Spass!

Zu Ende denken - Können, wollen wir das?

Zu Ende denken: Worte zum Unausweichlichen - Rebecca Panian;Elena Ibello
Zu Ende denken...

Kann das der Mensch? Ist er wirklich dazu geschaffen alles bis zur letzten Konsequenz zu Ende zu denken? Es gibt Dinge, Bereiche, Situationen wo man das nicht kann, einfach weil wir nicht alle Variablen kennen, zu wenig über etwas wissen, oder wir einfach nicht die Kapazitäten haben. Und doch versuchen wir es. Ausser wenn es um unser eigenes Ende geht. Unser sterben, unser Tod. Hier wollen wir meistens nicht zu Ende denken.

Und doch, mich begleitet dieses Thema schon sehr früh und die damit verbunden Gedanken. Denn ich wurde schon als kleines Kind mit dem Thema konfrontiert.

Meine Mutter war sehr jung als sie erkrankte. Ich war noch zu klein, am Anfang, um davon etwas mit zu bekommen. Aber je älter ich wurde, je mehr wurde mir bewusst das etwas mit meiner Mutter nicht stimmte. Nur keiner wusste so recht was. Auch die Ärzte nicht, sie wurde behandelt, 7 Jahre ohne Erfolg bis dann mal ein Arzt auf die Idee kam, ein Bild vom Kopf meiner Mutter zu machen. Diagnose; Hirntumor. Es folgen Angst, OP, Kampf und Hoffnung. Bis nach 4 Jahren diese Hoffnung zerbrach, denn er war wieder da, der Tumor. An der selben Stelle. Meine Mutter wollte damals die 2. OP nicht mehr. Nicht nur weil diese OP vor nun 28 Jahren sehr invasiev war, nein, ich denke, weil sie wusste das sie bald sterben würde und die verbleibende Zeit noch mit uns verbringen wollte. Doch wie die Menschen nun mal sind, egoistisch, meinten ihre Eltern und auch ihr Mann und mein Vater, sie habe schliesslich Kinder, das wäre sie uns schuldig. Und genau diese Schuldzuweisung hat gefruchtet und meine Mutter begab sich noch mal auf den OP-Tisch. Mit der Konsequenz das sie danach wieder nicht mehr kommunizieren konnte. Denn weder sprechen, schreiben oder sonst was in der Richtung klappte, denn der Tumor lag im Sprachzentrum, wieder. Es begannen die üblichen Schritte, Reha, Logopädie, hoffen und bangen. 4 Wochen dauerte es bis meine Mutter erneut einen Tumor hatte. Sie wurde in ein Krankenhaus verlegt um zu sterben. Ich konnte sie nicht mehr sprechen, und hab sie auch nie mehr wach gesehen. 6 Monate dauerte dies, bis sie endlich gehen durfte. Ich habe noch nie einen Menschen so schnell altern sehn. Innert Wochen bekam meine Mutter vollends graue Haare, sie wurde alt, ihre Haut war die einer alten Frau, dünn, grau, faltig. Sie war grade mal 33!! Und sie lag im Koma. Ich ging jeden Tag nach der Schule auf besuch. Bis ich eines Tages mal nicht mehr konnte, keine Kraft hatte... Nur einmal kein Besuch, und in dieser Nacht verstarb sie. Ich war 13. 
 
Ich will das für mich nicht. Ich wünscht mir das ich einschlafe und nie mehr aufwache, oder mich ein plötzlicher Tod ereilt. Doch ich weiss das dies nur wenigen so widerfährt. Das zu Ende denken tut weh... Mir auf alle Fälle. Mit loslassen hab ich sonst nicht sooo probleme aber wenn es ums eigene Leben geht ist das was anderes. Ich will das mein Mann zuerst stirbt, einfach weil ich ihn vor dem Verlust bewahren möchte. Und meine Kinder, gut sie sind jetzt dann alle erwachsen, denen will ich es auch so lange wie Möglich ersparen, doch es wird wohl unweigerlich so kommen das ich vor ihnen sterbe, hoff ich. Ich fand es immer schon schlimm mir vor zu stelle wie schwer es für meine Mutter damals gewesen sein muss zu wissen das sie uns zurück lassen muss, noch so klein. Meine sind wenigstens alle Gross. Und haben noch meinen Mann als Vater.

Ich will einfach nicht dahin siechen. Ich will gehen können wenn ich nicht mehr bei Verstand bin, wenn nichts mehr zu machen ist, wenn meine Organe noch gesund sind um wenigstens dann anderen noch damit helfen zu können. Keine lebensverlängernden Massnahmen, ich will noch fähig sein zu kommunizieren.

Bis dahin möchte ich einfach noch einige schöne Jahre mit meinem Mann verbringen können. Sehen wie die Kinder ihren Weg finden und gehen. Liebe zu geben... Und noch einiges zu lerne und schöne Stunden mit Freunden verbringen. Aber was ich mir für mein Ende vor allem wünsche ist, nicht allein zu sein, im Kreis meiner Liebsten die letzte Zeit verbringen zu können, ohne Angst und Trauer. Nicht des Abschieds beraubt zu werden, so zu gehen wie ich es mir wünsche...  
 
 
 
 

Das Cover und der Titel sind schlicht und doch sehr Aussage kräftig. Mir gefällt die abgelaufene Sanduhr da sehr gut.

Das Thema welches in diesem Buch vorkommt ist sicher kein einfaches, denn in diesem Bereich ist der Mensch ganz besonders begabt zu verdrängen. Was, wie ich finde, legitim ist. Wir Menschen sind in dem Bereich eben auch triebgesteuert, auf Arterhaltung. Und unser Ego spielt hier sicher auch noch eine wehsentliche Rolle. Wer möchte sich denn bitte das Ende vorstellen. Je jünger man ist, je weniger denkt man an den eigenen Tod, ausser man wird schon früh damit konfrontiert. Und doch gibt es Kulturen in denen der Tod kein Tabuthema ist, so wie bei uns in der westlichen Kultur. Wann hat es eigentlich hier begonnen das der Tod nicht mehr zum Alltag gehört? Das muss schon sehr lange zurück liegen. Und die Medizin bringt auch schon sehr viel zustande das wir immer später daran denken müssen. Unser Zugang zum Tod ist so von Angst besessen das wir, nicht Mal wenn er eintritt, wirklich darüber reden können oder wollen. Wir wissen einfach nicht was wir sagen sollen. Dies fand ich als Kind schon so schlimm. Man wird einfach alleine gelassen, mit all den Fragen, Gedanken, Gefühlen...

Doch Rebecca Panian und Elena Ibello denken da wie ich, es muss sich was ändern. Es ist wirklich an der Zeit das Thema aus dem dunklen Verliess zu lassen um es uns einfacher zu machen. Sterben oder der Tod wird etwas von seinem Schrecken verlieren wenn man ihn endlich mal betrachtet, ihn zulässt, man darüber redet, denn, egal ob wir ihn in den tiefsten Ecken unseres Bewusstsein vergraben, er ist da und er wird eines Tages vor uns stehen, uns anlächeln und die Hand reichen.

In diesem wunderbaren Buch kommen bekannte und auch unbekannte Schweizer zu Wort. Sie verrate uns ihre Gedanken zum Ende, ihrem Ende. Und das so offen und ehrlich, berührend und philosophisch, so verschieden wie Menschen nun mal sind. Auch für nicht Schweizer werden da die ein oder andere Persönlichkeit dabei sein die sie vielleicht aus den Medien kennen...

Pfarrer Sieber, Dimitri (Clown), Franz Hohler, Grilles Tschudi oder vielleicht sogar Nik Hartmann oder Kurt Aschbecher...
 
 
 
@ Gianni Pisano
 
 
Im Ganzen finden wir im Buch 44 Porträts von jung bis alt, die ihre Geschichten erzählen und einen ganz tiefen Einblick in ihre Seele gewähren. Dank des Photographen Gianni Pisano gibt es noch schöne s/w Aufnahmen der hier zu wortkommenden Personen.

Das Buch lät ein nach zu denken, überdenken, mit fühlen und sich über sein eigenes Ende Gedanken zu machen. Vielleicht regt es den ein oder anderen sogar an weiter zu gehen anstatt nur nach zu denken und nimmt, z.B. den Schritt einer Patientenverfügung in Angriff. Wer weiss!?

Ich kann das Buch auf alle Fälle jedem empfehlen. Vielleicht braucht man das ein oder andere mal ein Taschentuch, aber das sollte einen nicht abhalten dieses wunderbare Buch in die Hände zu nehmen.

Dies ist übrigens das Buch zur Doku; „Zu Ende leben“. In dem Buch kommen einige zu Wort die auch schon in der Doku zu sehen waren. Wer gerne mehr darüber wissen will kann sich hier den Trailer ansehen, oder direkt folgende Seite gehen. Zuendeleben.ch